Prozess-Tag Nr. 4 vom 15. Mai 2024

Abkürungen:

  • VR … Vorsitzender Richter
  • GBA … Generalbundesanwalt oder Generalbundesanwältin

[Prozessbeginn: 9.48 Uhr]

Der VR fragt nach der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Ralf S. Dieser gab an, er wolle keine Aussage machen aufgrund seines gesundheitlichen Zustands.

Der Senat beschließt daher die Beschuldigtenvernehmung von Ralf S. zu verlegen und die Beweisaufnahme im Fall von Markus L. vorzuziehen, dem eine versuchte Tötung bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 22. März 2023 zur Last gelegt wird.

Den Verteidiger*innen wird das Vernehmungsprotokoll der Angeklagten und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkelmann, die bei ihrem Haftprüfungstermin am 6. Mai 2024 mehrere Stunden lang Angaben gemacht hatte, zur Verfügung gestellt.
Der GBA gibt an Sacheinlassungen in München oder Frankfurt bei Haftprüfungsterminen würden Informationen weiter geleitet.

Der GBA nimmt Stellung zu dem Antrag von RA Matthias Sigmund, Verteidiger von Steffen Wilde, jeden Prozesstag einen Bericht über aktuellen Stand in anderen Prozessen zu Erkenntnissen in der Sache voranzustellen.
Der GBA gibt bekannt, er wolle Informationen bündeln.

Der VR behandelt einen Nachermittlungsauftrag zu den TKÜ-Dateien, die bisher nur beim BKA in Meckenheim einsehbar seien.

Der GBA meint dass diese Audio-Dateien eine Laufzeit von über 250 Tagen hätten.

Der VR verweist, dass es darum gehe wie der Zugriff handlebar sei. Ob man die Dateien wie Aktenteile behandeln könne. Es stelle sich die Frage der Exportierbarkeit.

Der GBA will sich erkundigen.

Die GBA in Tandler tritt dem Antrag der RAinnen von Wolfram S. auf Aufhebung der Einschränkungen nach dessen Einlassungen entgegen. Auch die Aussagen von Wolfram S. hätten weder ergeben dass er die Gruppe für aufgelöst hielt und er habe sich nicht wirklich distanziert. Zudem hätte er in seinen Aussagen „selektive Erinnerungslücken“ aufgewiesen.

Er habe zwar angegeben sich nach dem ausgebliebenen ‚Tag X‘ von der Vereinigung zurück gezogen zu haben, aber er habe das Vorhaben selber nicht in Frage gestellt.

Von dem Angeklagten Andreas M. habe sich Wolfram S. auf Grund von dessen Umgang mit Datensicherheit distanziert, nicht wegen Inhalten.

Holger Böltz und Buket Yildiz-Özdemir, die Verteidigung von Markus L., bitten um eine Pause, sich mit ihrem Mandanten auf die vorgezogene Beweisaufnahme vorzubereiten.

[10.33-11.27 Uhr: Pause]

Beweisaufnahme im Fall Markus L.

Der Angeklagte Markus L. habe am 14. Mai 2021 mit 90 Personen an einer Corona-Demonstration in Ofterdingen (Kreis Tübingen) teilgenommen, u.a. auch mit Martin S. und dem Mit-Angeklagten Matthias H.. Mit anderen „Veteranen“ hätte er ein schwarzes Barett getragen. Deswegen sei er wegen des Verstoßes gegen das Uniform- und Kennzeichenverbots sei er zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 40 Euro, also 1.200 Euro, verurteilt worden.

Der Angeklagte habe am 9. Juli 2022 die Verschwiegenheitserklärung mit Kürzel OG [vermutlich Obergefreiter] unterschrieben.

Der Angeklagte habe über eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis verfügt.

Es werden mehrere Dokumente als Beweise durch Verlesung eingeführt:

  • ein Dokument des Bundeskriminalamts zur Anregung von Durchsuchungsbeschluss bei Markus Peter L. in Reutlingen, 8. März 2023
  • Vermerks der GBA beim Bundesgerichtshof, 10. März 2023
  • Durchsuchungsbeschluss des Bundesgerichtshof gegen Markus L. als Person, seine Wohnung und seine Fahrzeuge in Reutlingen vom 15. März 2023.
  • Urkunde vom 23. März 2023 vom GBA zur erweiterten Hausdurchsuchung wegen versuchten Tötungsdelikts.
  • Auskunft aus dem Bundeszentralregister des Bundesamts für Justiz zu Markus L. vom 25. August 2023
  • Strafbefehl des Amtsgerichts Tübingen wegen Verstoß gegen Uniform-Verbot vom 26. November 2011
  • Vermerk aus der Gerichtsakte von Markus vom 18. April 2024
    Markus L. habe seine Strafe bezahlt, der Angeklagte Matthias H. habe seine Strafe teilweise bezahlt und verbüße den Rest als Ersatzfreiheitsstrafe.
  • Vermerk des Bundeskriminalamt vom 11. August 2023 zur Auswertung des Einsatzvideos des SEK-Beamten Nr. 6 (gekürzt und anonymisiert) von der Hausdurchsuchung bei Markus L. am 22. März 2023
  • Vermerk des Bundeskriminalamt vom 18. August 2023 zur Auswertung von vier weiterer Einsatzvideos, alle bearbeitet

RA Holger Böltz schätzt die Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten als rechtswidrig ein, weil dem Angeklagten die freiwillige Herausgabe der Beweise nicht eingeräumt wurde.

Der GBA tritt dem entgegen. Das Video würde das Gegenteil beweisen.

Inaugscheinnahme Einsatzvideo der Hausdurchsuchung bei Markus L. am 22. März 2023 [6,28 Minuten].

Das ganze wirkt wie eine Videospiel-Perspektive.
Man hört die Rufe „Polizei“.
Eine Drohne fliegt im Treppenhaus und in die Wohnung von Markus L.
Die SEK-Mitglieder tragen Schutzschilder.
Mehrfach werden Sätze gerufen wie: „Markus L. komm raus und zeig die Hände!“,
„Zeig mir Deine Hände.“ oder „Markus, Leg die Waffe weg.“
Einmal ruft Markus L.: „Zieht euch zurück oder ich schieße.“
Schüsse sind zu hören.
Man hört einen Ruf: „Bin getroffen“. Er habe einen „Treffer im Arm“.
Später hört man den Getroffenen noch mal: „Mein Arm ist komplett im Arsch“
Ein Rückzug wird angeordnet.
Ein Feueralarm geht los.

[12.-13.39 Uhr: Mittagspause]

RA Holger Böltz verweist auf die aggressive Vorgehensweise bei der Hausdurchsuchung. Er sehe subjektive Tatbestände wie Sachbeschädigung oder versuchter Totschlag seitens der Polizei.

Es habe keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine Durchsuchung stattfände oder gar eine Bekanntgabe, dass die Durchsuchung durch eine freiwillige Herausgabe abgewendet werden könne. Stattdessen sei habe es ein „überfallartiges Eindringen“ gegeben.

Sein Mandant habe in einer späteren Vernehmung gesagt: „Sie hätten ja einfach klingeln können.“

Immerhin habe die Durchsuchung bei einem Nichtverdächtigen stattgefunden. Der Einsatz des SEK „war von vorne bis hinten rechtswidrig“.

Inaugscheinnahme eines zweiten Einsatzvideo der Hausdurchsuchung bei Markus L. am 22. März 2023 [ca. 46 Minuten].

Das Video stammt aus einer im Haus eingesetzten Drohne. Da sie sich meistens auf dem Boden befindet, ist das Video vor allem aus der Froschperspektive.

Man bekommt mit wie die Tür aufgesprengt wird, dann folgen die bereits zitierten Rufe.

Man hört undeutlich eine geschriene Kommunikation. Gegen Ende der 46-minütigen Aufnahme sieht man, wie Markus L. mit erhobenen Händen aus der Tür tritt. Es sieht so aus, als habe er eine Weste an.

Zwischenzeitlich kritisierte der VR die Kommunikation der Angeklagten untereinander. Er habe das Trennungsgebot nicht aufgehoben damit sie sich laut unterhalten könnten. Er könne sie auch umsetzen oder einen Beamten dazwischen.

Inaugscheinnahme eines dritten Einsatzvideo der Hausdurchsuchung bei Markus L. am 22. März 2023 [ca. 46 Minuten].

Es wird ein weiteres 46-minütiges Drohnenvideo gezeigt. Der VR kündigt an gegen Ende des Videos das Abspielen zu stoppen, weil dann zu sehen ist wie sich Markus L. entkleide.

Die Drohne befindet sich diesmal im Treppenhaus. Man sieht wie die Tür von Markus L. aufgesprengt wird. Später sieht man wie die Beamten sich nach dem Schusswechsel aus der Wohnung von Markus L. zurückziehen.

[Abbruch der Prozessbeobachtung: 15.10 Uhr]

Prozess-Tag Nr. 2 vom 6. Mai 2024

Der VR verkündete, dass der RA Mohammed heute durch RA Nelly Koppeph ersetzt werde.

Aussage von Wolfram S. zur Person

Der vor seiner Verhaftung in Ettlingen ansässige Wolfram S., Jahrgang 1969, machte Aussagen zur Person und zur Sache.
Er berichtet, dass er der jüngere Bruder von zwei Geschwistern sei. Sein 2008 verstorbener Vater wäre ein Bergwerksarzt gewesen und habe seine Mutter als Sekretärin kennen gelernt.
Später habe sein Vater bei der Bundeswehr geforscht und danach bei der Johannes-Diakonie in Mosbach gearbeitet. Seine Familie sei 1969 von Mosbach-Waldtstadt nach Mosbach-Neckarelz umgezogen.
Im Jahr 1988 habe er sein Abitur gemacht und danach den Wehrdienst verweigert bzw. seinen Zivildienst gemacht.
Von März 1991 bis Januar 1997 habe er sein Studium der „Sensor-Systemtechnik“ an der Fachhochschule Karlsruhe absolviert.
Ab 1999 habe er bei HP gearbeitet und seit 2000 als Elektronik-Ingenieur bei „Agilent Technologies“. Dort sei ihm nach der Hausdurchsuchung im Dezember 2022 gekündigt worden.
Seit 2005 sei er nebenberuflich Fotograf bzw. Fotodesigner gewesen.
Er habe früher im Schnitt 4.500 Euro im Monat verdient.
Er habe am 1994 seine Lebensgefährtin M. S. kennen gelernt, sei 1999 mit ihr zusammen gezogen und habe ab 2007 mit ihr in Weingarten bei Karlsruhe zusammen gewohnt.
Im Jahr 2004 wurde sein Sohn geboren.
Im Jahr 2019 sei er ausgezogen und nach Ettlingen. Im Januar 2023 sei die Scheidung erfolgt.
In der Zeit 2021/22 habe er eine Ausbildung zum Schamanismus („Humanenergetik“) absolviert. Dabei gehe es „in ältere oder frühere Leben“. Ihm habe es geholfen sein „Geburtstrauma“ zu bearbeiten, was bei ihm eine mangelnde Bindungsfähigkeit und eine starke Hautkrankheit verursacht habe.

Aussage von Wolfram S. zur Sache

Sein Vater sei 1926 geboren und gehöre noch zur Kriegsgeneration. Dieser sei sehr vorsorge-getrieben gewesen. Sein Vater sei ein Kernkraftbefürworter gewesen, bis er eine Studie über die Leukämie-Verbreitung in Mosbach in der Nähe eines AKWs gelesen habe. Darauf sei er zu einem Kernkraftgegner geworden. Auch im Zusammenhang mit Atom-Unfällen habe sich sein Vater mit dem Thema Krisenvorsorge beschäftigt. Das habe auch ihn geprägt.
Er selber habe auch den Roman „Blackout“ von Markus Elsberg gelesen und sei dadurch aufgeschreckt gewesen.
In seinem Bekanntenkreis sei auch vom gepackten Fluchtrucksack die Rede gewesen. Er habe so etwas aber abgelehnt.
Auf die Frage eines Rechtsanwalts nach seiner politischer Einstellung antwortet S. mit „links-grün“.
Er würde sich kritisch mit dem Thema „Überwachungkapitalismus“ und Kritik an den „Big Five“ (Google, Meta, etc.) beschäftigen.
Seine Vision sei eine digitale Dorf-Cafe-Plattform, auch im Notfall zur Krisenvorsorge. Seine Hinwendung zu dem Thema sei durch Corona verstärkt worden: „Corona war eine heftige Zeit.“
Für seine Pläne habe er Kontakt zu ITlern aufgenommen.
Außerdem habe er Kontakt zu den ITlern Harald P. und Hannes H., den er über Alexander Q. kennen gelernt haben, bekommen.

Corona habe, so der Angeklagte, gezeigt wie empfindlich das System sei. Damals seien Menschen als Schwurbler von den Medien stigmatisiert worden.
Der Angeklagte meinte, er habe nie etwas mit den Themen Allianz etc. zu tun gehabt. Das Narrativ um die „Allianz“ habe er schon für möglich gehalten. Diese entstamme aus den Siegermächten. Er halte alles für möglich.

Man habe Heimatschutzkräfte für einen Systemzusammenbruch aufbauen wollen.
Ihm sei aber auch eine Verschwiegenheitserklärung vorgelegt worden. Er habe nicht gewusst, ob es den darin erwähnten Prinz Reuß überhaupt gab und konnte den Namen nicht zuordnen. Darin stand auch fett gedruckt etwas von „Todesstrafe“ bei Geheimnisverrat und er habe darüber gelacht. Das habe er nicht ernst genommen. Er habe gedacht: „Dann müssen sie mich umbringen, aber dann haben sie auch keinen ITler.“

Marco v. H. sei ihm seit dem Dezember 2021 bekannt. Damals habe es ein Treffen zum Thema Zivilschutz mit Mirka W., Ralf S. und Marco v. H. gegeben.
Irgendwann habe Mirka W. ihn kontaktiert. Man wolle einen „Zivilschutz“ für den „Tag X“ aufbauen.
Ein Treffen habe mit zwei Leuten aus Ettlingen bei Ralf S. in dessen Firma stattgefunden.
S. hat viele Vorräte für seine Dorfgemeinschaft angelegt.

Der Angeklagte berichte von einem Treffen am 7. August 2022 bei Andreas M. daheim in Neustetten. Mirka W. habe ihm die Verschwiegenheitserklärung vorgelegt.
Dabei sei ein Fragenkatalog für die „Heimatschutzkompanien“ (HSK) besprochen worden.
An die Wand wird der „Persönlicher Fragebogen HSK“ projiziert. Er enthält u.a. folgende Fragen.
„Sind sie mit dem COVID-19 Impfstoff geimpft?“
„Haben sie schon militärisch gedient? Oder Erfahrung mit Waffen?“
„Haben und/oder hatten Sie Kontakte zu Behörden der BRD egal ob privat oder beruflich?“
„Stellt es Ihnen eine Herausforderung dar mit Verstorbenen umzugehen?“

Angesprochen auf die Abfrage des Impfstatus meinte Wolfram S., dass er auch nachgefragt habe. Es sei darum gegangen, dass die gegen Corona Geimpften hätten sterben können.
Auf die Nachfrage, warum auch Waffenkenntnisse abgefragt wurden, meinte der Angeklagte, er habe schon bei Camouflage-Klamotten Probleme.
Der VR wendet ein, es sei ein Unterschied, denn Klamotten bekomme man auf der Königstraße und Waffen nicht.

Der Angeklagte berichtet, er habe fünf Notebooks für die Gruppe gekauft. Die Zahl zwölf, wie in der Anklageschrift angegeben, sei falsch. Er haben nur sechs für die „Heimatschutzkompanien“ angeschafft und eingerichtet. Er habe u.a. Linux und Nextcloud eingerichtet.
Er sei bis zum „Tag X“ im Panikmodus gewesen.
Es wird ein Entwurf „Wehrpass-MUSTER / der neuen Deutschen Armee“ für Manfred M. im Gericht an die Wand geworfen.
Eine Richterin fragt, warum denn da von der „neuen Deutschen Armee“ die Rede sei, er habe doch gesagt, dass man mit der Bundeswehr zusammen arbeiten wolle.
Der Angeklagte entgegnet, es sei gesagt worden, dass die Allianz neue Friedensverträge aushandeln werde und die Bundesrepublik vielleicht umbenannt werde, vielleicht auch dann die Bundeswehr.
Immer wieder behauptet der Angeklagte: „Das ist das Narrativ mit dem ich mich nicht beschäftigt habe.“ Außerdem meint er, er habe eine „katastrophale Allgemeinbildung“.

[11.30 bis 13.03 Uhr: Mittagspause]

Nach der Pause berichtete Wolfram S. von einem Anruf von Harald P. am 16. August 2022. Sie hätten sich dann am 21. August 2022 in einer Pizzeria in Sinsheim getroffen.
Am 30. August 2024 habe man sich bei bei Ralf S. in Horb getroffen. Beteiligte waren
Marco v. H., Alexander Q., Rüdiger v. P., Andreas M., Ralf S., Maximilian E., Thomas M. und Mirka W..
Es habe eine Präsentation über die Heimatschutzkampagnen gegeben. Der VR verliest eine Zeugenaussage, die u.a. militärische Rangordnungen und Waffen betrifft.
Der VR fragt nach, ob er nicht irritiert gewesen sei als über Waffen gesprochen worden sei.
Der Angeklagte verneint das. Es sei ja eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr geplant gewesen.
Er hätte ihre Planung als Ergänzung zum Zivilschutz verstanden.
Eine Richterin weist darauf hin, dass es nicht um Wasser oder Dosenbier gegangen sei, sondern um Waffen.
Der Angeklagte meint, man habe vielen Menschen helfen wollen. In Notfallsituationen würden Gefahren entstehen, z.B. durch Plünderer.
Die Richterin fragt, wozu man Geheimhaltungsvereinbarungen benötigt hätte.
Der Angeklagte meint, er habe dem überhaupt nichts beigemessen.
Der Angeklagte berichtet, es habe ein Schwanken zwischen „Angstszenario“ und „Sinnhaftigkeitsszenario“ gegeben. Man habe einen „Elektromagnetischen Impuls“ (EMP) und einen Blackout befürchtet. Der EMP hätte evtl. eine Bewusstseinserweiterung bewirken sollen.

Am 21. September 2022, also einen Tag vor dem „Tag X“ habe es Treffen mit Marco v. H. gegeben. V. H. habe weltweite große Veränderungen angekündigt, auch im Geld- und Energiesystem. Es solle ein Quanten-Internet eingeführt werden. Marco v. H. habe ihm erzählt: „Der Schöpfer habe jetzt genug.“
Dem Ganzen habe er nur „mäßig“ Glauben geschenkt.
Am 21. August 2022 gab es ein Treffen bei Andreas M.. Da versammelten sich alle in Erwartung des „Tag X“ am 22. September.
Er habe die Notobooks eingerichtet und sei dann wieder weggefahren.

Prozess-Tag Nr. 1 vom 29. April 2024

Am Montag, den 29. April 2024, startete am Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen die neun mutmaßliche Mitglieder der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, denen die Gründung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) vorgeworfen wird.
Der Prozess am Montag begann mit einiger Verspätung 10.18 Uhr.

Im Saal befanden sich auch mehrere Sympathisant*innen der Angeklagten, die zum Teil aus der Pforzheimer Corona-Protest-Szene kommen sollen und wohl wegen Marco v. H. angereist waren.

Anklageschrift

Die Gruppe sei, so die Anklageschrift, infolge eines Treffens  Ende Juli 2021 von zwei KSK-Mitgliedern mit Video-Zuschalte eines weiteren ehemaligen Berufssoldaten gegründet worden. Dabei habe man beschlossen die bestehende Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland umzustürzen. Im Oktober 2021 sei Prinz Reuß zur Gruppe dazugestoßen.
Die Gruppe habe eine Ideologie aus Versatzstücken von Reichsbürger- und QAnon-Inhalten gehabt. Man sei von der Existenz eines „Deep State“ und dem systematischen rituellen Missbrauch von Kindern, u.a. um aus ihnen ein Verjüngungsmittel zu gewinnen, ausgegangen. Für das Gegenstück zum „Deep State“ habe man eine Geheim-Organisation namens „Allianz“ bzw. „SHAEF“ gehalten. Mit deren Hilfe habe man ab August 2022 einen Umsturz durchführen wollen. Plan war es Beweise für die Verbrechen des „Deep State“ zu sichern. Mit diesen habe man die Bevölkerung nach dem Umsturz von der Richtigkeit seines Handelns überzeugen wollen. Bereits im August 2021 hätten Maximilian E. und Manfred W. den Bundestag ausgekundschaftet.
Für seine Pläne habe man insgesamt eine Summe von 500.000 Euro zur Verfügung gehabt. Außerdem habe man 382 Schusswaffen und 148.000 Schuss Munition gesammelt.
Die Gruppe habe die politische Neugestaltung Deutschlands geplant und angenommen Deutschland stehe weiter unter Kriegsrecht. Als Interim-Gremium sei ein Übergangsrat vorgesehen gewesen. Zeitweise habe man eine Kooperation mit der Gruppe „Vereinte Patrioten“ um Sven B. angestrebt.

Nach den Hausdurchsuchungen bei Manfred W. am 13. April 2022 im Zuge eines Vorgehens gegen die Gruppe „Vereinte Patrioten“ habe man die Strategie geändert. Man habe ab Mai 2022 verstärkt auf einen gemeinsamen Kampf mit der „Allianz“ gesetzt und erwartet diese würde einen Angriff auf der obere Ebene durchführen. Marco v.V. habe behauptet, Kontakt zu dieser „Allianz“ zu haben.

Man habe in diesem Zusammenhang die „Tötung von Menschen“ geplant und Listen hochrangiger Politiker*innen und Amtsträger*innen auf lokaler Ebene angelegt, um diese am ‚Tag X‘ zu exekutieren oder vor ein Kriegsgericht zu stellen.
Der „Verschwörungsirrglaube“ der Gruppe führte ihre Mitglieder in eine „Gedankenspirale, die Handlungsdruck“ erzeugt habe.
Man habe sich nach außen weiter abgeschottet und Anhänger*innen eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben lassen, die Verstöße als Hochverrat unter Todesstrafe gestellt habe. Diese Erklärung hätten 136 Personen unterschrieben.
Es sei ein militärischer Führungsstab unter Rüdiger v. P. eingerichtet worden.
Wolfram S. habe für die IT-Infrastuktur gesorgt mittels eigener verschlüsselter Laptops, Cloud-basierter Kommunikation und Satelliten-Telefone.

Der M-Stab habe auf der Suche nach einem Hauptquartier im Oktober 2022 Liegenschaften der Bundeswehr inspiziert, u.a. die Lechfeld-Kaserne südlich von Augsburg.

Man habe die Aufstellung von 286 Heimatschutzkompanien zu je vier Zügen mit vier Gruppen geplant. Diese hätte man bei Aufräum- und Säuberungsarbeiten einsetzen wollen.

Zwei Kompanien seien schon konkreter aufgebaut worden.

  • Die „Heimatschutzkompanie Nr. 221“ für den Raum Freudenstadt und Tübingen, die von Ralf S. geleitet worden sein soll. Beteiligt war auch Matthias H., der Markus L. rekrutiert haben soll.
  • Die „Heimatschutzkompanie Nr. 148“ für den Raum Jena und Saalekreis, in deren Leitung Marco v. H. eingebunden worden sein soll.
  • Die „Heimatschutzkompanie Nr. 201“ für den Raum Sigmaringen und Bodensee sei bei den Verhaftungen gerade im Aufbau gewesen.

Im April 2022 habe man einen Personenschutz für Prinz Reuß organisiert Alexander Q. stellte der Gruppe seinen Telegram-Kanal „Frag uns doch – das Original“ zur Verfügung und rekrutierte darüber neue Gruppen-Mitglieder. Am 20. September 2022 wurde über den Kanal der Aufruf „48 Stunden. Die Befreiung der Menschheit ist da. Höchste Zeit für die letzten Vorbereitungen“ der Gruppe gepostet.
Die Gruppe plante auch das Bundeswehr-Radio Andernach übernehmen.

Laut der Anklageschrift wurde den Angeklagten, die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen. Die Anklage listete im Einzelnen pro Angeklagten die Vorwürfe neben dem allgemeinen Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auf.

  • Ralf S. aus Horb wurde vorgeworfen, dass bei ihm Munition und diverse Waffen wie eine verbotene vollautomatische Schusswaffe gefunden wurde.
  • Andreas M. sei ab Juni 2022 Teil der Vereinigung gewesen. Er habe am 2. Juni 2022 eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet, Laptops verteilt und stellte ab dem 19. September 2022 seine Wohnung als Gefechtsstand zur Verfügung. Er sei Mitglied des M-Stabs und wäre am Auskundschaften von Bundeswehr-Kasernen im Oktober 2022 beteiligt gewesen.
    Er habe geplant Ausrüstungs-Depots der Bundeswehr einzunehmen und habe in seiner Garage u.a. schwarze Uniformteile, Sturmhauben und Plastikfesseln gelagert. Außerdem habe er versucht Schusswaffen zu erlangen.
  • Wolfram S. habe sich im August 2022 der Vereinigung angeschlossen. Im August 2022 nahm er an einem Treffen bei Ralf S. teil. In der Gruppe sei er Leiter des Bereichs G6 gewesen, habe zwölf Laptops beschafft und auf ihnen Linux und das Verschlüsselungssystem Lux installiert. Außerdem habe er den Aufbau mehrerer Datenbanken organisiert. Im September und November 2022 habe es einen Testlauf der Datenbanken gegeben.
  • Markus H. sei seit Juni 2022 Mitglied der Vereinigung gewesen. Er habe die Verschwiegenheitserklärung ausgearbeitet, inklusive der Todesstrafen-Androhung. Er habe eine Fluglizenz besessen und mehrere Personen rekrutiert. Zwischen Markus H. und Marco v. H. habe es Streit gegeben.
  • Ralf S. aus Horb habe der Vereinigung ab Juni 2022 angehört. Es habe Treffen bei im Zuhause gegeben und man habe die Hohenberg-Kaserne in Horb am Neckar besichtigt.
    Er sei der Leiter der „Heimatschutzkompanie Nr. 221“ für die Gebiete Freudenstadt und Tübingen gewesen.
    Auf seinem Gartengrundstück seien Patronen gefunden worden.
  • Steffen W. sei seit Juni 2022 Mitglied der Vereinigung gewesen.
    Er habe seine Wohnadresse für Treffen zur Verfügung gestellt
    Er habe eine Funkplan mit abgestimmten Funknamen entworfen. Im Oktober und November 2022 habe er Kontakt zu einem Ex-NVA-Offizier gehabt. Er habe sich Anfang August 2022 aktiv um einen Scharfschützen bemüht. Außerdem hab er am 4. August 2022 die Telegram-Gruppe „Bereitschaft“ gegründet.
  • Matthias H. aus Baisingen bei Rottenburg sei seit Juli 2022 Mitglied der Gruppe. Er sei Admin einer Telegram-Gruppe „Veteranen-Pool“ gewesen. Außerdem sei er „Militärverantwortlicher“ für den Bereich Tübingen gewesen und habe Bedarfslisten für die „Heimatschutzkompanie 221“ erstellt.
    Im Oktober und November 2022 habe er lokale Bürgerwehren aus seinem Reservisten-Netzwerk rekrutiert
  • Markus L. aus Reutlingen sei seit Juni 2022 Mitglied der Gruppe gewesen. Er habe sich für eine Bürgerwehr gemeldet und hätte Vorbereitung auf den ‚Tag X‘ getroffen. Der Sportschütze habe Waffen umgebaut. Bei ihm seien 25 Schusswaffen (u.a. eine Pumpgun, Pistolen, Revolver ), 47 Messer und 47 Kurzwaffen gefunden worden, sowie sonstige Ausrüstung wie Kisten mit Militär-Essen. In seiner Garage hätte man eine Leuchtspur-Panzergranate gefunden. Er durfte sechs Waffen besitzen und habe über eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis verfügt. Ihm wurde zudem Mordversuch an zwei Menschen aus niedrigen Beweggründe und Widerstand gegen Amtsträger vorgeworfen. Er hatte sich am 22. März 2023 bei einer Hausdurchsuchung einen Schusswechsel mit einer Sondereinheit geliefert.

Anklage zum Schusswechsel bei Hausdurchsuchung in Reutlingen am 22. März 2023

Markus L. hätte, so die Anklageschrift, von den Hausdurchsuchungen am 7. Dezember 2022 erfahren. Deswegen habe er in Erwartung einer kommenden Durchsuchung mehrere geladene Waffen in seiner Wohnung und seinem Auto postiert.Auf Grund seiner Unterzeichnung einer Verschwiegenheitserklärung sei eine Hausdurchsuchung bei ihm angeordnet worden. Da er Waffenbesitzer sei, habe das Spezialeinsatzkommando Baden-Württemberg die Durchsuchung durchgeführt. Dieses habe am frühen Morgen des 22. März 2023 seine Wohnungseingangstür mit einer Sprengladung geöffnet. Danach habe man sich durch Rufe als Polizeibeamte zu erkennen gegeben. Die Polizisten hätten sich durch ballistische Schutzschilde, auf denen groß ‚Polizei‘ gestanden habe, geschützt und ihn aufgefordert sich zu zeigen.
Der Angeklagte hätte sich mit einer Langwaffe auf dem Sofa befunden und sich hinter einem großen Drehsessel, den er mit einer Schutzweste versehen habe, verbarrikadiert. Er habe sich geweigert, sich zu ergeben. Die Polizei habe mehrere Schüsse präventiv abgegeben. Markus L. habe das Feuer in Richtung der SEK-Beamten erwidert. Insgesamt habe er zehn Schüsse und das SEK 16 abgegeben.
Ein Schuss von Markus L. habe den Ellenbogen eines Beamten durchschlagen. Daraufhin hätten die Beamten sich zurückgezogen. Nach 37 Minuten und nach einem Telefonat mit seiner Mutter habe er die Wohnung verlassen.
Der Angeklagte habe sich, so der Generalbundesanwalt, zur Schussabgabe legitimiert gefühlt. Die Tatwaffe sei eine halbautomatische Langwaffe gewesen.
Der am Ellenbogen verletzte Beamte habe eine Trümmerfraktur und dadurch dauerhafte Einschränkungen erlitten.
Der Angeklagte habe auch diverse Waffengesetze verletzt.

Anträge und Einwände der Rechtsanwält*innen

Die Anwält*innen stellen mehrere Anträge. Einige davon zielen auf die Zuständigkeit des Gerichts in Stuttgart-Stammheim ab. Der Prozess in Frankfurt/Main beginne am 21. Mai und der Prozess in München am 18. Juni.
Es bestehe die Gefahr dass Zeugen in drei unterschiedliche Prozessen unterschiedliche Aussagen machen. Auch könne ein vermögender Angeklagter Prozessbeobachter zu den übrigen Prozessen entsenden und sich so einen Vorteil verschaffen. Das verstoße gegen den „Grundsatz des fairen Verfahren“ und den „Grundsatz der Waffengleichheit“.
Mehrere Anwält*innen fordern die Prozesse zu verbinden.
Der Anwalt Mohammed des Angeklagten Alexander Q. beantragt den Fall seines Mandanten an das Oberlandesgericht in Frankfurt/Main zu verweisen, da der Wohnort seines Mandanten mit Bad Hersfeld in Hessen liege und die ihm vorgeworfenen Beteiligungshandlungen durch seinen Telegram-Kanal an seinem Wohnort stattgefunden haben sollen. Die Zuständigkeitsverteilung erscheine in seinem Fall willkürlich.
Der Generalbundesanwalt erwidert u.a. dass ein Teil der Angeklagten in Stuttgart nur wenig z.B. mit der Auskundschaftung des Bundestags zu tun habe, die in Frankfurt/Main verhandelt werde. Andererseits wolle sich in Frankfurt keiner darüber unterhalten, was in Horb geschehen sei.
Das Gros der Beweismittel ist elektronisch und die Zahl der Zeug*innen sei überschaubar.
Mehrere Angeklagte kündigen Einlassungen zur Person oder Sache an: Marco v. H., Wolfram S., Markus H.,

Weitere Anträge der Rechtsanwält*innen betrafen die Abschottung ihrer Mandanten, etwa durch einen zwischen-geschalteten Leserichter oder durch die Untersagung des direkten Kontakt, umgesetzt durch eine Trennscheibe bei Besprechungen.

Nach der Mittagspause ging es 14.45 Uhr weiter. Die zweite Tageshälfte begann mit Eröffnungsstatements der Verteidigung des Angeklagten Marco v. H.
Mehrere Rechtsanwält*innen kritisierten eine angebliche mediale Vorverurteilung der Angeklagten und das Ermittlungs-Interna an die Medien durchgestochen worden seien.
Laut der Rechtsanwältin Mohne führe die Berichterstattung zu einer „Pranger-Wirkung“.
In der Presseberichterstattung seien auch Teile der Anklageschrift zitiert worden.

Weitere Themen waren der Umgang mit den Dateien aus der Überwachung. Diese seien lange nur beim BKA in Meckenheim einsehbar gewesen.
In einem deutlich ideologisch gefärbten Statement kritisierte Rechtsanwältin Dannenmeier die Verwendung von Begriffen wie „Reichsbürger“ oder „Verschwörungstheoretiker“ mit dem seit Corona Menschen vorverurteilt würden. Ihr Mandant sei fast die ganze Woche damit beschäftigt gewesen Corona-Demonstrationen zu veranstalten oder daran teilzunehmen. Die Menschen seien damals ausgegrenzt worden. Wer an Verschwörungstheorien glaube sei in Deutschland offenbar ein Terrorist. Jeder habe das Recht, sich zu äußern und jeder könne an Verschwörungstheorien glauben. Es gehe darum unliebsame Meinungen mundtot zu sein.
Das eine AfD-Politikerin angeklagt sei, sei auffällig. Es gehe um die Diffamierung der AfD.
Es gehe nur um Stimmungsmache und handle sich um einen politischen Prozess.
Am Ende erliess der Vorsitzende Richter Selbstleseverfügung. Als Beispiel wurde eine Verschwiegenheitserklärung („Reaktivierung Deutschlands – Vertrag für die Verschwiegenheitspflicht und Geheimhaltungspflicht“) und eine „Chatham House Rule“ vom Richter vorgelesen. Diese „Chatham House Rule“ stammen ursprünglichen vom „Royal Institute of International Affairs“ in London von 1927 und verpflichten ebenfalls zur Verschwiegenheit.

Kurz nach 17 Uhr ging der Prozess zu Ende.

Am 6. Mai 2024 wird der Prozess mit Einlassungen der Angeklagten Ralf S. und Wolfram S. weiter verhandelt.
Bis zum 10. Juli 2024 soll aber eigentlich vor allem der Fall von Markus L. verhandelt werden.

Prozessbeginn

Am 29. April beginnt ein umfangreicher Prozess am Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart-Stammheim, der sich mit Mitgliedern der mutmaßlichen Reichsbürgergruppe, einschließlich Heinrich XIII. Prinz Reuß, befasst. Sie und andere stehen unter dem Verdacht, Mitglieder der terroristischen Vereinigung “Patriotische Union” zu sein.

Die Angeklagten in Stuttgart, die vermutlich zum “militärischen Arm” dieser Gruppe gehören, sollen mit der Bildung von 286 “Heimschutzkompanien” begonnen haben. Ihnen wird zur Last gelegt, sie hätten geplant, die staatliche Ordnung zu stürzen.

In Stuttgart werden neun Angeklagte mit 22 Verteidigern vor Gericht erwartet. An zwei weiteren Standorten, Frankfurt und München, werden 18 weitere Angeklagte vor Gericht stehen.

Die Anklageschrift umfasst 600 Seiten und die Ermittlungsunterlagen bestehen aus rund 400.000 Seiten in 700 Aktenordnern.